Archiv des Autors: kornecke

– Im Kino: Requiem

requiemIm Kino gewesen. Andere Zeit, andere Welt.

Requiem ist kein Gruselfilm in der Art von Der Exzorzist; genau genommen ist Requiem nicht einmal ein Film über den Exorzismus an Michaela Klingler. Vielmehr ist es ein Film über Michaela; ihr Leben in ihrer Zeit und unter ihren Umständen – ein Requiem für sie und ihr reales Vorbild Anneliese Michel.

Wie schon bei 23 beweist Hans-Christian Schmid, dass er es hervorragwend versteht, sich in andere Zeiten und Personen zu versetzen. In 23 – Nichts ist so wie es scheint schildert Schmid die 80iger Jahre und eine Welt, in der Karl Koch jede Sicherheit und den Bezug zur Welt verliert.
In Requiem ist es Michaela Klingler, die sich in den frühen siebziger Jahren in einer Welt wiederfindet, die ihr keinen anderen Ausweg als die Besessenheit bietet. Ohne den Beteiligten Schuld zuzuweisen, zeichnet er eine Welt, die der jungen Frau praktisch keine Chance lässt. Das Bestürzende an dem Film ist nicht, dass Menschen durch mehr oder weniger ‚bösartige‘ Handlungen Schlechtes bewirken, sondern dass es Situationen geben kann, in denen Menschen – ohne dass ihnen jemand etwas Böses will – nur noch Verzweifeln können. Keine Naturgewalt, kein schlimmes Schicksal, kein böses Wollen; allein die an sich wenig aufregenden Umstände belasten Menschen bis zur existenziellen Not.
(Schmid scheint damit der Interpretation des evangelischen Theologen Uwe Wolffs zu folgen, der den Fall Anneliese Michel untersucht und interpretiert hat. Zu Wolffs Arbeit und dem Fall Anneliese Michel sei auch der Wikipedia-Artikel empfohlen.)

Ebenso wie schon in 23 gelingt es Hans-Christian Schmid, den Film in seine Zeit zu transportieren. Die Bilder erinnern in Farbe und Stil an die frühen 8-mm-Heimvideos, Musikauswahl und Austattung kompletieren die Zeitreise. Die Darsteller liefern erstaunliches ab; Sandra Hüller, die für ihre Darstellung der Michaela einen Goldenen Bären gewann, ebenso wie Imogen Kogge als verständnislose Mutter und andere Darsteller. Wer allerdings Die fetten Jahre sind vorbei gesehen hat, wird beim Anblick von Burghart Klaußner in der Rolle von Michaelas Vater immer wieder an den ex-68er Villenbesitzer erinnert.

Requiem ist ein beeindruckender, schockierender Film. Wenn auch sicher nicht in der Art, wie man es erst erwartet.

kornecke meint:

– Wenn Philosophen Filmchen gucken

Großartiges Experiment. Es geht um Wahrnehmungsstrukturen, nicht-begriffliche Inhalte und so Zeugs. Bitte ein Mal mitmachen und hinterher total verblüfft sein. Versprochen!

Es geht darum einen Film anzuschauen (ca. zwei Minuten), auf dem mehrere Leute mit zwei Basketbällen spielen. Die Aufgabe ist, zu zählen, wie oft in dem Film gedribbelt wird, also wie oft die Bälle den Boden berühren. Ist ein bisschen unübersichtlich – also genau hinschauen und mitzählen.

> Link zum Film
(…das Video ist als Java-Applet in die Seite integriert. Da startet erst Java, dann wird der Film geladen und dann kann man das File abspielen.)

Die Fortsetzung gibt’s in den Kommentaren. Aber wenn man sich nicht erst den Film ansieht und die Boden-Ball-Kontakte zählt, verdirbt man sich den Spaß. Hinterher geht’s nicht mehr!

– Im Kino: Neun Szenen

Im Kino gewesen. Sehr gut unterhalten worden.

Mitunter ist man geradezu gezwungen, nachtragend zu sein: An dieser Stelle noch ein Mal Dank an R., der dafür gesorgt hat, dass die diesjährige Berlinale doch nicht völlig spurlos an mir vorbeigegangen ist.

Neun Szenen lief in der ‚Perspektive Deutsches Kino‘, ein Abschlussfilm der Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“. Ein sehr junges Team, ein sehr junger Film: Es geht um ein paar Freunde, die gerade ihr Abitur gemacht haben und mehr oder weniger große Probleme mit ihren Eltern haben. Ein Film über Generationsunterschiede aber auch auch über die Unterschiede unter den Freunden – und natürlich auch mit Lovestory.

Formal spannend ist Neun Szenen, weil er genau das ist: Der Film ist in neun Szenen gefilmt, acht davon ohne jede Kamerabewegung. So formal statisch der Film damit ist, so dynamisch ist er sonst. Die technische Beschränkung funktioniert – zumindest in acht von neun Szenen – ganz großartig, die statische Beobachterperspektive intensiviert den Film.

Weniger gelungen ist die Balance zwischen ernsten und witzigen Passagen. Über weite Strecken ausgesprochen witzig und durchaus frech, kippt die Inszenierung gelegentlich ins Alberne. Der Bogen wird stellenweise überspannt, was sehr schade ist, da der Film sonst nicht nur ausgesprochen kurzweilig und unterhaltsam sondern mitunter auch ziemlich schlau ist.

Für einen Debütfilm ist der Film allerdings eine beachtenswerte Leistung. Formal und atmosphärisch liefert der Film allerdings eine sehr schöne Perspektive für das deutsche Kino. Bleibt zu hoffen, dass der Film den Weg ins reguläre Programm findet und dass Dietrich Brüggemanns nächster Film ähnlich originell wird.

kornecke meint:

– Im Kino: Walk the Line

walk the line Im Kino gewesen. Musik gesehen.

‚Biopics‘ sind gerade groß in Mode; nach der Ray-Charles-Biographie Ray ist Walk the Line die zweite Hollywood-Biographie über einen Musiker. Und auch inhaltlich ähneln sich die Filme: Schwere Kindheit, Erfolg im Musikbusiness, Drogen, Absturz, neue Liebe, Comeback, verstorben während das eigene Leben verfilmt wurde – so könnte man beide Filme treffend zusammenfassend.

Der Unterschied sind natürlich Charaktere und Musik. Und genau das sind auch die Stärken der Filme. Die Biographie eines Musikers auf der Leinwand muss natürlich auch immer ein Musikfilm – und damit zuerst auch Geschmackssache – sein. Allerdings reicht es natürlich auch nicht, die Songs einfach nur abzuspielen – die Komposition von Bild, Story und Musik muss stimmig sein.

In Walk the Line ist dieses Zusammenspiel ebenso gelungen, wie die Leistung der Darsteller. Reese Witherspoon hat den Oscar für die beste weibliche Hauptrolle durchaus verdient, genauso wir Joaquin Phoenix die Nominierung in der entsprechenden Kategorie. Es macht Spaß, den beiden beim Spiel zuzusehen; die beiden haben nicht nur die Songs sondern auch die Charaktere der realen Persönlichkeiten überaus gelungen interpretiert.

Einzig die Story des Filmes kann nicht immer unterhalten. Der Film hat Längen, einige Passagen wirken unmotiviert oder unpassend. So wird der Film in erster Linie durch Musik und die darstellerische Leistungen über einige Passagen, die inhaltlich nicht völlig gelungen sind, hinweggetragen.

kornecke meint: